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urbanize! 2021

»Strategien des Wandels«

Das 12. urbanize! Festival nimmt das 150-Jahre-Jubiläum der Pariser Commune zum Anlass, um Strategien für einen gesellschaftlichen Wandel, eine Neuausrichtung der urbanen Gesellschaft zu diskutieren.

Die Pariser Commune war der erste große, dezidiert urbane Aufstand. In ihr kündigten sich zentrale Fragen des 20. Jahrhunderts nach einer gerechteren Gesellschaftsordnung an. Obwohl sie nach nur 73 Tagen von der französischen Armee durch einen mörderischen Angriff niedergeschlagen wurde, löste sie einen Wellenschlag an revolutionärer Inspiration aus, der von urbanen Bewegungen bis heute wahrgenommen wird. Was können wir daraus lernen?
Mittlerweile blicken wir auf ein großes Spektrum an urbanen Initiativen und Netzwerken, die mit unterschiedlichen, teils konkurrierenden Strategien und Methoden auf gesellschaftliche Verhältnisse reagieren und diese zu verändern suchen: Von den Häuserkämpfen der 1980er Jahre, den Platzbesetzungen des Arabischen Frühlings 2011, Occupy Wallstreet, M15 Madrid, Syntagma Square Athen, Gezi Park Istanbul, October Revolution in Beirut ab 2019, bis zum Umbrella Movement in Hongkong oder der weltweiten Klimabewegung Fridays for Future.
Die Welt ist in Bewegung und das Ringen um eine demokratische, sozial gerechte und nachhaltige Zukunft in vollem Gange. In unseren Breiten lässt sich an Themen wie Mobilität oder Wohnen aktuell gut ablesen, wie viele unterschiedliche Ansätze es gibt, um eine Neuausrichtung von Politik zu erreichen. Die Konzepte stammen von traditionellen Interessensvertretungen genauso wie von politischen Initiativen oder Universitäten, von neuen Parteien ebenso wie von NGOs. Wer sind diese Akteur*innen des Wandels, welche Organisationsformen und Allianzen, welche politischen, aktivistischen und künstlerischen Methoden wenden sie warum an? Welche politischen Strategien und Ziele verfolgen sie? Welche sozialen Netzwerke und Kommunikationsformen nutzen heutige Bewegungen? Wie gewinnen sie Einfluss auf gesellschaftliche Entwicklungen? Was schafft Öffentlichkeit für ihre Anliegen? Welche Rolle spielt der urbane Raum für gesellschaftliche Erneuerung?
Gemeinsam mit Künstler*innen, Planer*innen, Stadtforscher*innen und Aktivist*innen erkundet urbanize! unterschiedliche Ansätze für eine notwendige Demokratisierung der Gesellschaft. Gemäß dem urbanize!-Motto Gemeinsam schlauer werden erörtert das Festival zusammen mit Teilnehmer*innen und Besucher*innen, welche Strategien und Werkzeuge für das Ziel einer stärkeren Demokratisierung der Stadtgesellschaft als Voraussetzung für sozialen, ökologischen und ökonomischen Wandel zeitgemäß sind.

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Veranstaltungsort und Raum für Vernetzung und Austausch

Festivalzentrale am Nordwestbahnhof

Der 1870-73 errichtete Nordwestbahnhof ist ein innenstadtnaher Logistik-Knoten in Wien-Brigittenau, der bislang eine außergewöhnliche Hartnäckigkeit gegen städteplanerische Trends und ökonomische Umwertungsambitionen an den Tag gelegt hat. Seit langer Zeit ist er als zukünftiges Stadtentwicklungsgebiet für 15.000 neue Bewohner*innen ausgewiesen. Nach Angaben der Stadt Wien wird er noch bis Ende 2021 als Frachtenbahnhof genutzt werden. Ab 2022 ist die Freimachung des Areals und ab 2024 der Start der etappenweisen Bebauung geplant. Aus der Wahrnehmung vieler Wiener*innen ist der Nordwestbahnhof in den letzten Jahrzehnten völlig verschwunden, auch wenn der Dornröschenschlaf des Areals nur ein vermeintlicher war.
Die urbanize!-Festivalzentrale befindet sich in einer der Hallen auf dem weitläufigen Gelände gleich neben dem Museum Nordwestbahnhof, das von Michael Hieslmair und Michael Zinganel betrieben wird und während des Festivals besichtigt werden kann.
Die Gestaltung der Festivalzentrale verdanken wir once again dem Team von UNOs – Studio für Raum und Gestaltung. Für Speis & Trank sorgt der Sazón Foodtruck, der mit authentischer Cocina Latina begeistert.

Erreichbarkeit: U6 Dresdner ­Straße (7 Gehminuten), Straßenbahn 5, O Rauscherstraße (5 Gm), Bus 5a ­Brigittagasse (3 Gm).


urbanize! Festival

Im Jahr 2010 hat dérive - Verein für Stadtforschung erstmals zu einem urbanize! Festival geladen, konzipiert als Jubiläumsreihe anlässlich von 10 Jahre dérive - Zeitschrift für Stadtforschung. Das überaus positive Echo auf diese ersten urbanize! Veranstaltungen hat der Verein als Auftrag verstanden, weiterhin einmal pro Jahr Stadtforscher*innen, Planer*innen, Aktivist*innen und Künstler*innen sowie zunehmend auch engagierte Stadtmacher*innen aus Politik und Verwaltung zu Austausch und Wissenstransfer rund um urbanistische Themenstellungen zu versammeln.

Die Idee, die vielfältigen Blickwinkel auf die Stadt als Œuvre (Henri Lefebvre), als alltägliches Werk ihrer Bewohnerinnen und Bewohner, aus der Welt der akademischen Beschäftigung in den realen Raum der Stadt zu übertragen, bleibt Motor und Ausgangspunkt für die jährliche Programmierung des Festivals. Augenhöhe, Teilhabe, Barriere-Abbau zwischen Expert*innen am Podium und Expert*innen im Publikum und das Schaffen von Räumen für Austausch und Kennenlernen, in denen gemeinsam gedacht, gelacht, gestritten und gefeiert werden kann, ist ein zentrales Anliegen. Dafür bedient sich urbanize! einer Vielzahl an Formaten aus Wissenschaft, Kunst und Alltag: Ausstellungen und künstlerische Aktionen, Stadterkundungen zu Fuß und mit dem Rad, Performances und Interventionen im öffentlichen Raum, Workshops und Vorträge, Diskussionen und Vernetzungs-Foren, Film und Musik. Die Methode des situationistischen dérive, des sich Treibenlassens und Abschweifens, ist Impulsgeberin für das Festival als Forschungsreise durch Disziplinen, Themen, Formate und Orte. Ziel von urbanize! war und ist Menschen zusammen zu bringen, sie zu ermächtigen, zu irritieren und zu stimulieren – zu einem vielschichtigen Denken und Handeln auf dem Weg zu einer Stadt für alle.

Foto:  Masha Kosobokova
Foto: Masha Kosobokova

Ein urbanize! Festival besteht immer aus der Hardware der Veranstaltungen und der Software des sozialen Raumes, der Gespräche, des Austausches und der Interaktion. Die Veranstaltungen sind bis auf wenige, rar gesäte Ausnahmen kostenfrei zu besuchen und die gesamte Dramaturgie trachtet danach, einen möglichst offenen und demokratischen Raum zu schaffen. Das Festival will unterschiedliches Wissen und unterschiedliche Menschen miteinander in Beziehung bringen, weil es mit Jane Jacobs daran glaubt, dass die Stadt nur dann Chancen für alle bietet, wenn sie auch von allen gemacht wird.

Wenn die Rechnung aufgeht, erzeugt urbanize! als temporäres Stadtlabor einen Raum der produktiven Verunsicherung und des utopischen Überschusses, einen Raum der Aneignung und eine Bühne für Vorstellungen einer möglichen anderen Welt und einer gerechteren und lebenswerten Stadt.

Die Nachwirkungen sind ebenso vielfältig wie für uns Festivalmacher*innen nicht messbar. Sie arbeiten sich äußerst selten zu uns durch und treten nur manchmal greifbar in Erscheinung. Etwa wenn die Post eine Urban Graphic Novel bringt, versehen mit einer Dankeskarte für die Inspiration. Manchmal werden uns Abschlussarbeiten zugesandt, die sich um das Recht auf Stadt drehen, mit Verweis auf urbanize! als Ideengeberin. Immer wieder bekommen wir Besuch von Kurator*innen und Stadtmacher*innen aus anderen europäischen Städten, die sich mit uns austauschen möchten, um in ihrer Stadt ähnliches ins Leben zu rufen. Oder wir erfahren zufällig, dass sich Festivalgäste bei urbanize! kennen gelernt haben, um Jahre später gemeinsam Kunst- und Forschungsprojekte zu realisieren. Am öftesten aber gibt es Feedback an der Festival-Bar, wo weiter diskutiert und reflektiert wird.

urbanize! ist ein Reallabor des Denkens, das 2021 zum 12. Mal Fragen in den Raum wirft, um gemeinsam Antworten in Theorie und Praxis zu finden. Es ist unser Beitrag zur Selbstermächtigung und Selbstorganisierung und damit zu einer lebendigen und demokratischen Stadtgesellschaft. Schon immer hat das Festival ein Ausrufezeichen im Titel getragen als Aufforderung sich einzumischen, einzugreifen, einzufordern und zu gestalten: urbanize! urbanisieren sie sich!

Foto:  Mushtaq Khani
Foto: Mushtaq Khani

urbanize! Int. Festival für urbane Erkundungen wird seit 2010 von dérive - Verein für Stadtforschung in Wien, Berlin (2018) und Hamburg (2016) veranstaltet. Der Verein ist auch Herausgeber von dérive - Zeitschrift für kritische Stadtforschung und produziert mit Radio dérive einen Podcast zur Stadt.


Radio dérive

FESTIVAL HÖREN

Seit 2011 präsentiert dérive mit seinem Radio-Podcast auf Radio Orange 94.0 Beiträge zum Stadtraum als Ort der Verdichtung und als Seismograph gesellschaftlicher Entwicklungen im Hörformat. Jährlich zum urbanize! Festival stürzt sich die dérive Radioredaktion ins Festivalgeschehen mit Interviews und Stimmungsberichten vom proppenvollen Festival-Alltag. Tune in!

Foto:  dérive
Foto: dérive

Redaktion Festivalradio: Lene Benz, Greta Egle, Lisa Puchner, Sandra Voser, Katharina Egg in Kooperation mit Orange 94.0.

urbanize! Festivalradio auf Orange 94.0:
Di, 05. OKT, 17:30 Uhr

Sendetermine der im Radio-Workshop gestalteten Beiträge:
Mi, 13. OKT, 17:05-17:57 Uhr
Do, 14. OKT, 17:05-17:57 Uhr

Live im Radio oder per Stream auf www.o94.at
Nachhören: www.derive.at/radio


Festivalpartnerin Social Design – Arts as Urban Innovation

Das Social Design Studio an der Universität für Angewandte Kunst Wien

Das Masterstudium Social Design-Arts as Urban Innovation wurde 2012 an der Universität für angewandte Kunst Wien gegründet. Ort wie Inhalt des Programms sind Theorien und Praxisformen der Stadt. Es sind die urbanen Realitäten, aus denen die Studierenden kommen, und deren gleichsam muttersprachliche Kenntnis, die sie als Denk- und Erfahrungssysteme teilen und im Lauf des Studiums als Grammatik ausformulieren. Wer sich für Social Design entscheidet, begreift Städte oder Prozesse der Urbanisierung in ihrer Veränderlichkeit und gleichsam als Organismen, die selbst auf feinste Akupunkturen reagieren. In einem interdisziplinären Team werden Projekte entwickelt, die in die Realität reichen, die externe Kooperationen ermöglichen und befördern. Absolvent*innen können ein Zertifikat erwerben – und doch misst sich ihre Arbeit immer auch an den realen Dringlichkeiten städtischen Lebens. Dieses universitäre Angebot begreift sich auch als Katalysator universitärer Arbeit, kommt doch einer Universität immer eine wesentliche gesellschaftspolitische Verantwortung und Aufgabe zu, manifestiert sie sich doch exemplarisch als Ort wie Inhalt urbaner Verdichtung. Wenn eine Universität, wenn ein Studienprogramm Freiräume garantieren will, muss sie unbedingt Kampfzone für Konflikte sein und bleiben, muss sich ihnen stellen. Um Studierende und Absolvent*innen in sozialen Bewegungen initiativ werden zu lassen, diese mitzutragen oder gar auszulösen, bedarf es einer Universität, die atmen lässt, die sich auch zum Inhalt, zum Anlass sozialer Bewegungen machen kann, die dafür Raum und Auseinandersetzung bietet. Die Arbeit an einer Universität wirkt – gezielt oder indirekt – immer auf die Institution zurück, geht über diese hinaus, antwortet auf gesellschaftlichen Wandel oder verantwortet diesen mit. Künstlerische Hochschulen sind keine Enklaven, um die herum sich ein Leben „draußen“ abspielt. So versteht sich auch das Programm selbst als sein eigenes Projekt. Die gemeinsame Arbeit ringt um un- und antihierarchische Umsetzungen. Unter dem steigenden Druck einer Kommodifizierung allzu kompakter Ausbildungsangebote muss der inhaltliche Anspruch, gesellschaftlich verantwortliche wie auch wirksame Arbeit zu leisten und in ein Lehrangebot zu übersetzen, eine kontinuierliche Herausforderung darstellen. Es geht darum, universitäre Möglichkeiten zu nutzen, – im besten Sinn – zu instrumentalisieren und dabei Verbindlichkeiten einzugehen, die über die Unistrukturen hinausgehen.

socialdesign.ac.at


dérive – Zeitschrift für Stadtforschung

dérive – Zeitschrift für Stadtforschung erscheint seit Sommer 2000 vierteljährlich und versteht sich als internationaler und interdisziplinärer Beitrag zur kritischen Stadtforschung. Die Redaktion thematisiert globale (urbane) Problemstellungen und analysiert sie im lokalen Kontext, um Aufschlüsse über die gegenwärtige Stadtentwicklung zu geben. Herausgeber der Zeitschrift ist die unabhängige Plattform derive – Verein für Stadtforschung mit Sitz in Wien.

Der Ansatz von dérive ist multiperspektivisch, interdisziplinär und gesellschaftskritisch. Die Redaktion kooperiert bei der Erstellung von Schwerpunktheften sowohl mit WissenschaftlerInnen und Forschungsgruppen unterschiedlichster Disziplinen (Architektur, Stadt-, Raum- und Landschaftsplanung, Ökonomie, Soziologie, Geographie, Europäische Ethnologie, Philosophie, Politik- und Kulturwissenschaften, u.a.m.), als auch mit StadtaktivistInnen und KünstlerInnen. Diese berichten in dérive über weltweite urbane Entwicklungen und zeigen in fundierter und kritischer Auseinandersetzung Zukunftsperspektiven für das städtische Leben auf.

Es gibt ein Probeheft zum Herunterladen, die letzten Ausgaben zum Durchblättern und unseren shop.